Dolcedos Immobilienskandal - der wahre Bauskandal (Gastkommentar) 

So schön Dolcedo im Zentrum des Val Prino auch ist, von der Perle des westlichen Liguriens hat in den letzten Jahren nicht nur positive Meldungen gegeben. Seit fast zwei Jahren zieht der Immobilienskandal Dolcedos weite Kreise. Selbst die schweizer und die deutsche Presse haben intensiv darüber geschrieben, als die Provinz Imperia und ein Staatsanwalt zunächst 81 Häuser im Gemeindegebiet von Dolcedo beschlagnahmte - später noch einige mehr. Auch der Bayerische Rundfunk berichtet aus Dolcedo. Alle Häuser waren in den letzten 5-15 Jahren im Gemeindegebiet Dolcedos gebaut worden, entweder durch die jetzigen Eigentümer oder durch Bauträger, die die Häuser dann weiterverkauft haben. 

Der Aufschrei der Eigentümer nach der Beschlagnahme war natürlich riesig, verständlicherweise bei denen aber noch etwas mehr, die die Häuser gutgläubig erworben hatten. Alle Häuser waren aufgrund von Baugenehmigungen der Gemeinde Dolcedo errichtet worden. Allerdings wurde in den achtziger Jahren das Gebiet taleinwärts nach einer Linie vor Isolalunga zum Centro storico erklärt und damit Bautätigkeit sehr weitgehend eingeschränkt und nur unter bestimmten Auflagen erlaubt. Voraussetzung für Bautätigkeit war ein landwirtschaftliches Grundstück einer bestimmten Größe. Im Rahmen eines bestimmten Faktors dürften diese Grundstücke mit landwirtschaftlichen Gebäuden bebaut werden. 

Diese eigentlich ganz anders gedachte Ausnahmeregelung wurde zum Einfallstor für das, zwar nicht massenhafte, aber doch sehr rege Errichten von Ferienvillen rund um Dolcedo. Zwar mögen die ersten Gebäude noch halbwegs die Bedingungen erfüllt haben, aber durch Grundstücksteilungen wurden die damals erteilten Baugenehmigungen rechtswidrig, denn Gebäudegröße und Grundstücksgröße passten nun nicht mehr zueinander. Die nachfolgenden Baugenehmigungen waren auf zu kleinen Grundstücken ohnehin rechtswidrig. Davon abgesehen waren die wenigsten Gebäude tatsächlich landwirtschaftlicher Natur, sondern qualitativ relativ minderwertige Ferienvillen mit Pool, noch dazu in vormals freier Landschaft.

Die Reaktionen der Eigentümer waren nach der Beschlagnahme ihres Eigentums natürlich naheliegend zumal sie innerhalb von 2 Monaten ihre Häuser räumen sollten. Dass die Bauherren bei den Baugenehmigungen nicht zu unbedarft waren, wie sie nun taten, liegt auf der Hand. Denn sie hatten ja selbst die Lücke ausgenutzt, wie sie im Bereich des Centro Storico bauen konnten. Natürlich sieht es für gutgläubige Käufer die schlüsselfertig ihre Häuser erwarten etwas anders aus. 

Aber mein Mitleid hält sich natürlich auch hier in Grenzen, denn was bleibt ist zwar keine so massive Landschaftszerstörung und Zersiedelung wie an den Hängen der Côte d‘Azur dafür aber doch eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung des Gesamtbildes. Ich selbst kam in den frühen achtziger Jahren nach Dolcedo, entdeckte und renovierte mit viel Einsatz, Begeisterung und Liebe ein altes ligurischen Haus und kümmerte mich über 30 Jahre intensiv um dessen Erhalt. Der Ärger über die Neubauten rund um Dolcedo sitzt bei einem wie mir natürlich deutlich tiefer als bei all denjenigen, die die pittoresken Ortsbilder der mittelalterlichen Borgos rund um Dolcedo in den siebziger und achtziger Jahren noch nicht kannten. 

Oppositionelle Gemeinderatsmitglieder, sauer über die Ausuferung ihres Dorfes, erstatten Anzeige. Schon 2008 werden von der Provinz die Baugenehmigungen für Häuser unterhalb von Ripalta wegen Verstoßes gegen die Zonenordnung annulliert. Kurz danach folgt die Verordnung, zurückzubauen, die Häuser abzureißen. Aber nichts geschah. 

Die Gegend hat an Charme verloren und natürlich leidet Dolcedos Vorzeige-Borgo Ripalta hoch über dem Val Prino an seiner nord-ost Seite sehr unter den Rohbauruinen, die nunmehr seit der Baueinstellung von 2008 vor sich hin gammeln. Besonders apart ist, dass die wuchernden Pflanzen und die orangefarbenen, halb verwitterten Plastikbauzäune sich ineinander verweben. 

Der wahre Skandal ist also nicht die Beschlagnahme der Häuser, sondern die versprenkelte Zersiedelung des Talkessels von Dolcedo durch unansehnliche Villen, die so ganz und gar nicht zu den denkmalgeschützten Häusern der Nachbarschaft passen.

Im Frühjahr 2015 hat es dann endlich geheißen eine Lösung für alle Schwarzbauten werde gefunden. Insbesondere für den Schandfleck unterhalb von Dolcedo-Ripalta ist eine Lösung überfällig denn im Zusammenhang mit den Rohbauruinen steht auch die Straße, die mittlerweile dringend saniert werden müsste, aber nicht saniert werden kann, weil für die Rohbauruinen noch keine Lösung gefunden wurde. 

Am besten wäre es aus der Sicht eines Ästheten wie mir, die Straße nach Ripalta neu zu bauen, die Rohbauruinen aber so zu lassen wie sie sind, abzusichern, die unmittelbare Umgebung  zu bepflanzen um die Artenvielfalt zu beleben und ansonsten die Rohbauruinen der wildwuchernden Natur zu überlassen. Daran könnte man ermessen, was aus den aufgelassenen Dörfern rund um Dolcedo geschehen wäre, wenn nicht in den siebziger Jahren tatkräftige Enthusiasten die Orte vor dem Verfall gerettet hätten.

Ich selbst habe zwar mein Haus in Dolcedo vor einigen Jahren verkauft – auch aus Ärger über die Neubauten, aber einmal in Jahre komme ich nach Dolcedo zurück, aber um diesmal in verschiedenen alten ligurischen Häusern eine Woche zu verbringen und Charme und Flair einzusaugen. 

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Kommentare: 1
  • #1

    Anonym (Mittwoch, 16 September 2015 18:53)

    Toll, dass jemand hier diese Meinung vertritt und die ganze Sache zurechtrückt. Es wurde auch Zeit! In der Presse habe sich die Betroffenen hanz schön als die armen Opfer präsentiert. Und wenn man wagte mal eine andere Meinung/Kritik zu äußern wurde man verteufelt.

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